Fluchtbewegungen und Zuflucht

Auf dem Jakobsweg, Südfrankreich

Manchmal wundert es mich, wie viel Bewegung Menschen erzeugen, um vor dem zu fliehen, was sie insgeheim am meisten wünschen. Yvonne flog letztes Jahr für zwei Wochen nach Sansibar zum Tauchen, nächstes Jahr möchte sie nach Bhutan, jetzt geht sie für drei Tage den Chemin und selbst das Gehen auf dem Chemin de Saint Jacques macht sie zu einer rekordverdächtigen Veranstaltung.

Sie wirkt auf mich wie eine Getriebene, die auf der Flucht vor sich selbst ist. Jede Lücke, jeder Zwischenraum muss mit Betriebsamkeit aufgefüllt werden, denn in den Zwischenräumen könnte man sich selbst begegnen. Bei der Flucht bewegt uns das, was wir vermeiden wollen, zwischen das und uns wir möglichst viel Abstand bringen wollen. Zuflucht dagegen hat eine völlig andere Antriebsenergie, einen anderen Treibstoff, es ist die Bewegung auf etwas zu, ihr Motiv ist die Abstandsverringerung, das Sich-auf-etwas-zu-Bewegen mit dem Ziel, sich letztlich damit zu verbinden. Während Fluchtbewegungen zwangsläufig immer schneller werden müssen, um wenigstens noch die Illusion ihrer Wirksamkeit aufrecht zu erhalten, braucht die Zufluchtsbewegung Entschleunigung und ein gewisses Maß an Absichtslosigkeit. Den Weg gehen ist für mich Zuflucht bei sich selbst suchen.

Bertram Wohak


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Körpertherapeut und Aikidolehrer in München
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