Beinlängendifferenzen

Funktionelle Beinlängenunterschiede natürlich ausgleichen

Hierzu kann ich wirklich aus eigener Erfahrung sprechen: Als ich Mitte dreißig war, wurde bei mir ein Beinlängenunterschied von fast zwei Zentimetern und ein Diskusprolaps L4/L5 diagnostiziert. Damals fühlte ich mich steif und unbeweglich und litt unter häufigen Rückenschmerzen, die sich mehrmals jedes Jahr bis zu massiven Lumbalgien (Hexenschuss) steigerten.

Ich erinnere mich, dass einmal sogar der Notarzt kommen musste, um mir Muskelrelaxantien zu spritzen, da ich mich überhaupt nicht mehr bewegen konnte. Mein Körper fühlte sich an wie im eisernen Griff spastischer Muskelkontraktionen gefangen. Natürlich unternahm ich das Übliche, konsultierte mehrere Orthopäden und bekam Physiotherapie und Massagen verschrieben. Nichts davon half wirklich und auf Dauer. Ein Orthopäde wollte mir zum Ausgleich meiner verschieden langen Beine Einlagen verschreiben, ein anderer meinte, ich solle mich auf keinen Fall allzu sehr sportlich betätigen, da sonst schnell eine Operation an der Wirbelsäule fällig sein könnte. Wie es für mich weiterging können Sie unter „Persönliches – mein Weg zur Körpertherapie“ nachlesen. Hier nur so viel: Ich habe schon seit vielen Jahren gleichlange Beine und die geschilderten Beschwerden gehören schon lange der Vergangenheit an.

Die Entstehung von Hüftgelenksarthrosen hängt oft mit Beinlängendifferenzen zusammen

Heute steht in meiner Praxis am Anfang jeder Körpertherapie eine Untersuchung des Zustandes der Hüftgelenke und der Beinlängen. Soeben wieder stellte ich bei einer 21-jährigen jungen Frau mit Schulterschiefstand und chronischen Nackenschmerzen eine Beinlängendifferenz von 1,5 cm und eingeschränkte Hüftgelenksbeweglichkeit auf der Seite des längeren Beins fest. Meistens sage ich dann so etwas wie: „Wahrscheinlich werden Sie am Ende Ihrer Körpertherapie nicht nur Ihre Schmerzen los geworden sein, sondern auch froh sein, dass Sie sie hatten. Sie haben Sie nämlich dazu gebracht, sich um die Ursachen Ihrer Beschwerden zu kümmern, das wird für Ihr ganzes weiteres Leben wichtig sein." Wie wichtig das ist sehe ich an meinen älteren Klienten mit Arthrosebeschwerden des Hüftgelenks. Ich bin mir sicher, die meisten von ihnen hätten älter werden können ohne Hüftgelenksarthrosen, Operationen, Endoprothesen und all deren Nachwirkungen, wenn ihnen rechtzeitig vorher gesagt worden wäre, wie sie ihre Hüftgelenke und Beinlängen ausgleichen können. Das hängt zusammen und ist auf natürliche Weise möglich. Ich weiß, wovon ich spreche.

Anatomische und funktionelle Beinlängendifferenzen

Gewöhnlich werden anatomische und funktionelle Beinlängendifferenzen unterschieden. Bei anatomischen Beinlängendifferenzen haben die Knochen von Ober- und Unterschenkel aus den verschiedensten Ursachen tatsächlich unterschiedliche Länge. Das sind jedoch die weitaus selteneren Fälle. Viel häufiger handelt es sich um funktionelle Beinlängendifferenzen, bei denen man selbst bei genauer Vermessung keinen Unterschied in der Länge der Knochen der Beine feststellen könnte. Dennoch sind die Beine unterschiedlich lang, woran kann das liegen?

Meist findet man die Antwort recht schnell, wenn man die Beine im Gesamtsystem des Körpers betrachtet. Entscheidend dafür sind die Hüftgelenke mit Gelenkkapsel und Faszien und die gesamte Muskulatur, die Becken und Beine verbindet. Man muss sich klar machen, dass man es hier mit den stärksten Muskeln des Körpers zu tun hat. Menschen, bei denen die Hüftgelenke weitestgehend gleich beweglich sind, haben meist gleichlange Beine. Dagegen findet sich bei funktionellen Beinlängenunterschieden meist eine typische Asymmetrie in der Beweglichkeit der Hüftgelenke, oft auch gekoppelt mit einer Verwindung des gesamten Beckens. In meiner Praxis hat sich schon oft gezeigt, dass ein im Hüftgelenk nach außen rotiertes Bein dabei in den allermeisten Fällen zum längeren Bein wird. Das hat eine Reihe von negativen Auswirkungen auf den gesamten Körper. Das außenrotierte Bein ist meistens das schlechter organisierte Bein, es ist weniger „verlässlich“, es wird beim Stand meist zum „Spielbein“, seine Muskulatur ist weniger ausgeprägt und die Lastverläufe durch Knie- und Sprunggelenk sind suboptimal. Wenn ich frage „an welchem Knie oder Sprunggelenk hatten Sie schon einmal Probleme?“, dann ist es häufig das längere, weniger gut organisierte Bein, das Probleme machte. Bei Menschen die sehr viel Sport treiben können die Probleme aber auch am "besseren" Bein auftreten, einfach weil sie es unverhältnismäßig überlasten. Die weiteren Auswirkungen sind Folgen dieser gestörten Körperstruktur, die sich nach oben auswirken: Beckenschiefstand, Beckentorsion, Skoliose, Schulterschiefstand, Seitwärtsneigung von Hals und Kopf bis hin zu Kiefergelenksproblemen etc.

Ein einfacher Beinlängentest

Was Sie selbst unmittelbar tun können ist ein einfacher Beinlängentest, bei dem Sie sich von einer zweiten Person helfen lassen sollten. Legen Sie sich auf den Rücken und strecken Sie sich ganz aus. Die Unterlage sollte hart sein, am besten der Boden. Die zweite Person hilft Ihnen nun, Ihren Körper so auszurichten, dass die Mittellinie von Nase über Brustbein, Nabel, Knie und Innenknöchel eine möglichst gerade Linie bildet. Kommen jetzt beide Innenknöchel genau aufeinander, dann haben Sie höchstwahrscheinlich gleichlange Beine. Ist das nicht der Fall, dann lassen Sie die Hilfsperson feststellen, welches Bein um wieviel länger ist. Danach nimmt die Hilfsperson Ihre weiterhin gestreckten Beine an den Füssen und legt sie unter leichtem Zug etwa zwei Handbreit auseinander. Sie selbst lassen Ihre Beine nun nach außen fallen so wie sie fallen mögen. Ihre Füße kippen nun etwas nach außen, Sie machen nichts absichtlich. Fallen beide Füße gleichweit nach außen? Wie verhält es sich zu den Beinlängen, die Sie zuvor festgestellt haben? In den meisten Fällen fällt das längere Bein stärker nach außen.

Diese Außenrotation kommt von einem außenrotierten Hüftgelenk, wobei ich in der Folge unter Hüftgelenk die gesamte Funktionseinheit verstehe, die aus dem Gelenk im engeren Sinn, den Faszien, den Muskeln und dem Teil des sensomotorischen Systems besteht, das die Bewegung des Beins im Hüftgelenk steuert. Das lässt sich leicht durch einen Test der Hüftgelenksbeweglichkeit für die Gegenbewegung verifizieren. Das außenrotierte Hüftgelenk setzt der Innenrotation meist viel früher einen Widerstand entgegen als das beim anderen Bein der Fall ist. Falls das so ist, haben Sie ein wichtiges Strukturproblem erkannt, das sich auf die gesamte Statik und Dynamik Ihres Körpers negativ auswirkt.

Welche Einlage benutzen Sie beim Barfußgehen?

Funktionelle Beinlängendifferenzen bis zu ca. 2 cm können in den meisten Fällen durch funktionale und strukturelle Körpertherapie, durch Isogai-Therapie und ein konsequentes und längerfristiges Übungsprogramm für die Hüftgelenke ausgeglichen werden. Das ist eine Erfahrung, die sich mit vielen meiner Klienten bestätigt hat. Einlagen sind im Grunde Krücken, wollen Sie den Rest Ihres Lebens auf Krücken herumlaufen? Und welche Einlage benutzen Sie beim Barfußgehen? Mit dem Ausgleich von Hüftbeweglichkeit und Beinlängen kann in jedem Lebensalter begonnen werden. Je früher im Leben wir jedoch beginnen, uns um einen Ausgleich dieser Verschiebungen in unserer Körperstruktur zu kümmern, desto mehr werden wir uns selbst durch Lebensqualität bis ins hohe Alter belohnen.

Bertram Wohak


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